Militärische Fliegeruhren der Marke Hanhart aus dem Schwarzwald finden seit einigen Jahren wachsende Beachtung bei Uhrenfreunden. Die Gründe für dieses Interesse liegen einerseits am unverwechselbaren Hanhart-Design wie der kannelierten Drehlünette, dem typischen Nietenarmband, der dicken Fliegerkrone oder dem oftmals rot gefärbten Rückstellknopf. Andererseits verhalf der Hollywood-Star Steve McQueen der geschichtsträchtigen Marke zu größerer Bekanntheit. Auf zahlreichen Bildern aus seinem Nachlass sieht man den „King of Cool“ mit einem Hanhart-Nachkriegschronographen. Ganz offensichtlich war die Hanhart eine seiner Lieblingsuhren.
Anfänge und Mythos der Hanhart-Fliegeruhren
Die Anfänge der Produktion von Fliegeruhren bei Hanhart gehen auf den Zweiten Weltkrieg zurück. Die Firma aus Gütenbach im Schwarzwald war ursprünglich auf Stoppuhren spezialisiert und bekam einen Rüstungsauftrag für die deutsche Luftwaffe. Wahrscheinlich ab 1938 – so ganz genau weiß man das nicht – wurden zunächst sogenannte Eindrücker-Taschenchronographen und später Eindrücker-Fliegerchronographen nach militärischen Vorgaben produziert. Grundlage war das Hanhart-Kaliber 40, das auf einem Landeron-Chronographenwerk basiert. Mit diesen Uhren lassen sich einfache Additionsstoppungen vornehmen. Beim erneuten Betätigen des Drückers springt der Stoppzeiger zurück in die Nullstellung. Die Uhren sind äußerst robust und funktionieren auch heute, nach über 70 Jahren, in der Regel noch tadellos.
![Flugschüler der Luftwaffe: Einige von ihnen werden später eine Fliegeruhr von Hanhart tragen. (Foto: Walter Castillo)]()
Flugschüler der Luftwaffe: Einige von ihnen werden später eine Fliegeruhr von Hanhart tragen. (Foto: Walter Castillo)
Im Laufe der Zeit kamen Doppeldrücker-Chronographen hinzu, die über eine Flyback-Funktion verfügten. An dieser Stelle beginnt der Mythos vom roten Drücker. Die Legende besagt, dass die Fliegerbräute ihren Männern – als Zeichen der Verbundenheit – den unteren Drücker des Chronographen mit Nagellack rot anmalten. Der wahre Hintergrund dürfte eher praktischer Natur gewesen sein. Der Flyback-Drücker wurde zur besseren Kennzeichnung rot lackiert, da bei einem versehentlichen Drücken der Abbruch des laufenden Stoppvorgangs drohte. Interessant in diesem Zusammenhang sind die firmeninternen Bezeichnungen: Chronographen hießen in der Hanhart-Sprache Stopparmbanduhren, was angesichts des Hauptgeschäftsfelds logisch erscheint. Die schon erwähnte Flyback-Funktion wurde offiziell als Temposchaltung bezeichnet.
Militäruhren für die Piloten der Reichsluftwaffe
Während des Zweiten Weltkriegs wurden fünf unterschiedliche Modelle an die Reichsluftwaffe ausgeliefert. Die Uhren waren im Werk oder auf dem Rückdeckel mit einer sechsstelligen Seriennummer gekennzeichnet, beginnend bei der 100.000 bis etwa zur 127.000 bei Kriegsende. Grundsätzlich gab es folgende Modellvarianten:
- Eindrücker-Chronograph ohne Drehlünette
- Eindrücker-Chronograph mit Drehlünette
- Doppeldrückerchronograph ohne Drehlunette
- Doppeldrücker-Chronograph mit Drehlünette
- Dreizeigeruhren mit reduziertem Chronographenwerk
![Zwei Eindrückerchronographen von Hanhart,</br>links mit und rechts ohne Drehlünette (Foto: Walter Castillo)]() Zwei Eindrückerchronographen von Hanhart, links mit und rechts ohne Drehlünette (Foto: Walter Castillo) |
![Eindrückerchronograph ohne Schriftzug und mit Pointerlünette (Foto: Walter Castillo)]() Eindrückerchronograph ohne Schriftzug und mit Pointerlünette (Foto: Walter Castillo) |
Die genauen Einführungstermine sind unklar. Wahrscheinlich begann 1939 die Produktion mit den am häufigsten anzutreffenden Eindrückern ohne Drehlünette. Ab etwa 1941 kamen die Doppeldrücker mit Temposchaltung mit dem Kaliber 41 hinzu. Da die Komponenten von unterschiedlichen Zulieferern bezogen wurden, gibt es auch innerhalb der unterschiedlichen Modellreihen diverse Varianten. So wurden beispielsweise einige Eindrücker mit Drehring mit einem sogenannten Pointer auf der Zwölfuhrposition versehen. Dieser diente der besseren Erkennung der eingestellten Position während des Einsatzes.
![Ein Doppeldrücker-Chronograph von Hanhart ohne Drehlünette aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs (Foto: Felix Hallinger)]() Ein Doppeldrücker-Chronograph von Hanhart ohne Drehlünette aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs (Foto: Felix Hallinger) |
![Ein Doppeldrücker-Chronograph von Hanhart mit Drehlünette und rotem Drücker (Foto: Felix Hallinger)]() Ein Doppeldrücker-Chronograph von Hanhart mit Drehlünette und rotem Drücker (Foto: Felix Hallinger) |
Eine weitere Variante ist bei den Zifferblättern anzumerken. Es gab für die Eindrücker sogenannte sterile Zifferblätter ohne Herstellerlogo. Auch das gelegentlich anzutreffende Tachy-Tele-Zifferblatt ist eine Variante und keineswegs ein eigenes Modell, wie oftmals behauptet wird. Das Zifferblatt verfügt über eine außenliegende Telemeterskala zur Entfernungsbestimmung und eine innen liegende Tachymeterschnecke zur Messung von Geschwindigkeiten. Das für die Kriegsmarine gebaute Eindrückermodell mit Drehlünette hat nur eine Telemeterskala zur Distanzbestimmung auf See. Eine detaillierte Darstellung der unterschiedlichen Kriegsmodelle anhand der Nummernkreise findet sich im Fliegeruhren-Blog www.flying-time.de
Die Chronographen wurden alle nach den Anforderungen des Reichsluftfahrministeriums (RLM) gebaut und verfügten daher über bestimmte Ausstattungsmerkmale wie etwa eine Stoßsicherung, wasserdichte Schraubgehäuse mit Edelstahl- oder Messingböden, große Fliegerkronen, feste Bandstege, vernietete Armbänder. Leider ist das detaillierte Lastenheft des RLM mit der Anforderungsbeschreibung nicht mehr vorhanden. Die Uhren wurden dienstlich verwendet und in der Regel in den Wehrpass des Trägers eingetragen. Im Bild unten ein Beispiel dafür: Es zeigt den Eintrag eines frühen Fliegerchronograph mit “Nr. 10 09 20″, “leihweise ausgehändigt am 28.02.1945″. Der Inhaber des Wehrpasses nahm die Uhr später mit ins Zivilleben. Dienstuhren waren aber keinesfalls die Regel bei der Luftwaffe. Viele Piloten trugen während des Dienstes ihre zivile Uhr.
![Der Flieger-Chronograph mit der Nr. 100 920 wurde im Wehrpass eines Piloten eingetragen. (Foto: covenant)]()
Der Flieger-Chronograph mit der Nr. 100 920 wurde im Wehrpass eines Piloten eingetragen. (Foto: covenant)
Eine Besonderheit sind die Dreizeigeruhren von Hanhart. Es handelt sich um Chronographenwerke, die auf die Grundfunktion Stunde, Minute und kleine Sekunde reduziert wurden. Die Gehäuse waren nicht verschraubt wie bei den Chronographen, sondern hatten einen einfachen Druckboden. Bei diesen Uhren finden sich durchgehend nahezu alle Werknummernkreise. Man kann davon ausgehen, dass sie vom Beginn an bis zum Kriegsende und sogar darüber hinaus gebaut wurden.
![Zwei Dreizeiger-Fliegeruhren von Hanhart: links aus der Kriegszeit, rechts Nachkriegsära. (Foto: Walter Castillo)]()
Zwei Dreizeiger-Fliegeruhren von Hanhart: links aus der Kriegszeit, rechts Nachkriegsära. (Foto: Walter Castillo)
Hier geht’s weiter zur Nachkriegsgeschichte der Hanhart-Fliegeruhren.